Schutz von Industrieanlagen vor Einschaltstromstößen
Wenn ein industrielles Gerät eingeschaltet wird, zieht es oft einen hohen Anfangsstrom (den so genannten Einschaltstrom), der weit über seinem normalen Betriebsniveau liegt. Je nach Gerätetyp kann dieser Einschaltstromstoß in der Größenordnung des 10- bis 30-fachen des Betriebsstroms liegen. Diese extremen Einschaltströme sind zwar nur kurzzeitig, können aber erhebliche elektrische und mechanische Belastungen verursachen.
Ohne angemessene Kontrolle können Einschaltströme Schutzschalter auslösen, Sicherungen durchbrennen lassen, empfindliche Komponenten beschädigen und sogar Stromanschlüsse und Netzteile beschädigen. Daher ist eine wirksame Strategie für das Einschaltstrommanagement von entscheidender Bedeutung für den zuverlässigen und sicheren Betrieb von Industrieanlagen.
Eine Möglichkeit zur Bewältigung von Einschaltstromstößen besteht darin, Einschaltstrombegrenzer (ICL, Inrush Current Limiter) in Reihe mit dem Netzeingang des Geräts zu schalten. Unter den verschiedenen Arten von ICLs werden häufig Thermistoren mit negativem Temperaturkoeffizienten (NTC) aufgrund ihres einfachen Designs und ihrer leichten Integrierbarkeit verwendet. Ein NTC-Thermistor ist ein temperaturempfindlicher Widerstand, dessen Widerstand mit steigender Temperatur abnimmt.
Abbildung 1: NTC-Thermistor ERT-J0EG103FA von Panasonic Electronic Components mit 10 kΩ Nennwiderstand bei 25°C und einer Widerstandstoleranz von ±1%. (Bildquelle: Panasonic Electronic Components)
Wenn das industrielle elektrische Gerät ausgeschaltet ist, hat das NTC-Element einen relativ hohen Widerstand. Es wird in Reihe mit der Last geschaltet. Der hohe Kaltwiderstand verlangsamt den anfänglichen Stromstoß beim Einschalten und wirkt wie ein Stoßdämpfer.
Der begrenzte Einschaltstrom, der durch den Thermistor fließt, bewirkt, dass er sich durch ohmsche Verlustleistung selbst erwärmt. Wenn sich der Thermistor erwärmt, sinkt sein Widerstand drastisch auf einen kleinen Bruchteil seines Kaltwertes. Innerhalb weniger Augenblicke geht der Thermistor in einen niederohmigen Zustand über. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Eingangskondensatoren aufgeladen, und der normale Betriebsstrom kann fließen.
Sobald der Einschaltstromstoß nachlässt, schaltet sich der NTC ab und verhält sich im Normalbetrieb fast wie ein Kurzschluss. So kann beispielsweise ein NTC mit einem Kaltwiderstand von 10 Ω bei voller Erwärmung auf weniger als 0,5 Ω fallen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Industriemaschine bei nahezu voller Spannung in einem stabilen Zustand betrieben wird, während der Energieverlust über den Thermistor minimiert wird.
Konstruktionsüberlegungen bei der Implementierung von NTC-Begrenzern
Um einen zuverlässigen und effizienten Betrieb zu gewährleisten, müssen bei der Implementierung von NTC-basierten Einschaltstrombegrenzern mehrere Designparameter berücksichtigt werden.
1. Kaltwiderstand
Der Kaltwiderstand (R25) ist der Nennwiderstand bei 25°C und bestimmt die Anfangsimpedanz, die den Einschaltstrom begrenzt. Der erforderliche Mindestwiderstand kann anhand des gewünschten maximalen Einschaltstroms und der Versorgungsspannung abgeschätzt werden. Ingenieure berechnen diesen Widerstand anhand des Ohmschen Gesetzes: R =VSpitze/Imax (Einschaltstrom). In einem einphasigen 230VAC-System (ca. 325 VSpitze) ist, wenn der Einschaltstrom auf 20 ASpitze begrenzt werden soll, ein Kaltwiderstand in der Größenordnung von 325/20 ≈ 16 Ω erforderlich.
Hersteller wie TDK Electronics, Vishay Ametherm und Amphenol Advanced Sensors bieten Standard-NTC-Werte wie 2 Ω, 5 Ω, 10 Ω, 22 Ω, 47 Ω usw. bei 25 °C an. Die Wahl des richtigen Kaltwiderstands ist entscheidend, da ein höherer R25-Wert eine bessere Überspannungsunterdrückung bewirkt. Ein zu hoher Wert kann jedoch die Ladeströme zu stark einschränken, die Anlaufzeit verlängern und einen übermäßigen anfänglichen Spannungsabfall verursachen.
Abbildung 2: Der mit Anschlussdrähten ausgestattete NTC-Thermistor B57164K0220K000 von EPCOS - TDK Electronics mit 22 Ω Widerstand bei 25°C und einer Widerstandstoleranz von ±10%. (Bildquelle: EPCOS - TDK Electronics)
2. Betriebswiderstand
Der Betriebswiderstand (Heißwiderstand) repräsentiert die verbleibende Serienimpedanz und die kontinuierliche Verlustleistung. In der Praxis beträgt der Heißwiderstand nur einen kleinen Teil von R25, typischerweise 2 bis 5 Prozent des Kaltwiderstands bei Nennstrom. So kann beispielsweise ein NTC mit einem Kaltwiderstand von 10 Ω bei seinem Nennstrom auf etwa 0,3 Ω fallen.
Ein geringerer Heißwiderstand ist für den Wirkungsgrad wünschenswert, aber um ihn zu erreichen, muss ein größerer Thermistor verwendet werden. Die Entwickler müssen sicherstellen, dass sich der NTC beim Dauerstrom der Anwendung ausreichend erwärmt, um seinen Widerstand auf ein akzeptables niedriges Niveau zu reduzieren. Wenn die Komponente überdimensioniert ist, kann sie sich nicht ausreichend selbst erwärmen, was zu einem höheren als dem erwarteten Widerstand führt.
Um eine hohe Performance zu erzielen, sollte der normale Betriebsstrom mindestens 30 % des maximalen Nennwerts des NTC betragen, damit er heiß genug läuft, um den flachen Teil seiner R-I-Kurve zu erreichen. Wenn der Laststrom im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des NTC sehr gering ist, sollte der Ingenieur einen Thermistor mit geringerem Strom in Betracht ziehen, damit er bei Erwärmung durch diesen Strom auf einen niedrigeren Widerstand abfällt.
3. Maximaler Dauerbetriebsstrom
Der NTC muss in der Lage sein, seinen Effektiv- oder Gleichstrom im Dauerbetrieb ohne Überhitzung zu führen. Der NTC muss so gewählt werden, dass Imax gleich oder größer ist als der normale Betriebsstrom des Systems. Wenn der Betriebsstrom den zulässigen Dauerstrom des NTCs überschreitet, überhitzt der Thermistor über seine Auslegungsgrenzen hinaus, was zu thermischem Durchgehen oder Geräteschäden führen kann.
Es ist wichtig, die Leistungsminderungskurve der Komponente zu prüfen, um festzustellen, ob die Anwendung in einem Gehäuse oder in der Nähe von Wärmequellen heiß läuft. Liegt der Auslegungsstrom in der Nähe von Imax, muss unbedingt ein gewisser Sicherheitsabstand oder ein Kühlmechanismus um den Thermistor herum vorgesehen werden.
4. Widerstand gegen Energiestöße
Der Energiewert des Thermistors ist ein kritischer Parameter. Er muss der Joule-Energie (J) des Einschaltstroms ohne Schaden standhalten. Bei einem kapazitiven Eingang ist eine Schätzung der Stoßenergie erster Ordnung die Energie, die zum Aufladen des Kondensators benötigt wird. Zum Beispiel erfordert das Aufladen eines 100μF-Kondensators auf 325 V etwa 5,3 J. Der gewählte Thermistor sollte einen Einschaltstromwert haben, der über diesem Wert liegt, um den ungünstigsten Fall zu berücksichtigen.
Ähnlich kann der Entwickler bei Motor- oder Transformatorlasten die Wellenform des Stoßstroms messen und die Integration (∫I2R dt) durchführen, um sicherzustellen, dass I2t durch den Thermistor innerhalb seiner Spezifikation bleibt. Die Hersteller geben einen I2t- oder Joule-Wert für einmalige Überspannungen an und manchmal auch einen Wert für wiederholte Überspannungen, wenn das Gerät häufig ein- und ausgeschaltet wird.
Abbildung 3: NTC-Thermistor AL03006-535K-145-G1 von Amphenol Advanced Sensors mit einem Widerstand von 1 MΩ und einem stabilen Betrieb bei bis zu 250 °C. (Bildquelle: Amphenol Advanced Sensors)
Bei richtiger Auswahl und Implementierung bietet ein NTC-Thermistor-basierter Einschaltstrombegrenzer einen zuverlässigen Schutz gegen Einschaltstromstöße. Die Komponente bietet einen vorübergehenden Serienwiderstand, der sich nach Beendigung des Betriebs selbsttätig aus dem Stromkreis herausregelt.
Fazit
Da industrielle Systeme immer größer werden und stromhungrige Geräte enthalten, wird die Beherrschung von Energiespitzen beim Einschalten immer wichtiger. Einschaltstrombegrenzer auf NTC-Basis bieten ein bewährtes Gleichgewicht zwischen Design, Kosten und Zuverlässigkeit. Sie sollen es Entwicklern ermöglichen, einen Sanftanlaufschutz zu erreichen, ohne die Komplexität der Steuerung zu erhöhen, um einen sicheren und effizienten industriellen Betrieb zu gewährleisten.
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